Loslegen

Wo fangt ihr am besten an? Praktische Materialien für den Startpunkt für mehr Gemeinwohl in eurem Stadtteil.

  1. Früh den Zugriff auf Grundstücke und Gebäude per Vertrag sichern
  2. Mit einer Quartiersstudie ein besseres Verständnis für den Stadtteil und die Projektimmobilien erlangen
  3. Ziele gemeinsam entwickeln, die wirkungsvoll mehr Gemeinwohl in der Immobilienentwicklung schaffen

1. Zugriff auf Grundstück und Gebäude

Erbbaurechts- und Kaufvertrag abschließen

Gemeinwohlorientierte Immobilienprojekte setzen auf eine nachhaltige, soziale und zukunftsorientierte Stadtentwicklung – und das Erbbaurecht ist ein Schlüsselelement dafür. Mit einem Erbbaurechts- und Kaufvertrag können langfristige Ziele verfolgt werden: Das Eigentum an den Gebäuden geht auf gemeinnützige Organisationen oder Projektgesellschaften über (per Kaufvertrag), während das Grundstück in den Händen von Kommunen, Erb*innen-Gemeinschaften oder Wohnungsgesellschaften bleibt (per Erbbaurechtsvertrag). Beides wird in einem Vertrag gemeinsam geregelt. Der Vertrag sichert diese Konstellation für einen langen Zeitraum, in unseren Projekten zwischen 60 und 99 Jahre – eine echte Win-win-Situation.

Grundstück im Erbbaurecht übernehmen
  • Das Erbbaurecht bietet eine gute Alternative zum klassischen Kauf. Das Grundstück wird nicht direkt gekauft, sondern für einen festgelegten Zeitraum gepachtet und genutzt. Dafür wird ein regelmäßiger Erbbauzins an die Eigentümer*innen gezahlt, die das Grundstück behalten. Das schafft eine starke, langfristige Partnerschaft, die allen Beteiligten Stabilität und Perspektiven bietet.
Aufstehende Gebäude kaufen
  • In demselben Vertrag – dem Erbbaurechts- und Kaufvertrag – wechseln die auf dem Grundstück stehenden Gebäude den Besitz.
  • Der*die Erbbaurechtsnehmer*in kann diese nun umbauen, aber auch den Gebäudebestand durch An-, Neu- oder Rückbau verändern – alles in Einklang mit dem geltenden Bau- und Planungsrecht.
Laufzeit
  • Erbbaurechte sind langfristig angelegt – oft für 99 Jahre. Bei kürzeren Laufzeiten kann im Vertrag die Option für eine Verlängerung vereinbart werden, die dann in Kraft tritt, wenn der*die Erbbaurechtsnehmer*in zu einer im Vertrag festgelegten Frist eine Verlängerung anfragt.
  • Der Name „Erbbaurecht“ kommt daher, dass es sogar innerhalb von Familien vererbt werden kann.
  • Zudem wird vertraglich festgelegt, was passiert, falls die erbbaurechtsnehmende Organisation insolvent wird oder ihre Gemeinnützigkeit verliert – so bleibt alles klar geregelt.
Vorkaufsrechte
  • Ein Bestandteil des Erbbaurechts- und Kaufvertrages ist meistens ein Vorkaufsrecht. Das bedeutet, wenn die Grundstückseigentümer*innen das Grundstück doch verkaufen wollen, wird es den Erbbaurechtsnehmer*innen als Erstes angeboten, bevor andere Vertragsparteien in Erwägung gezogen werden.
  • Dies gibt den Erbbaurechtsnehmer*innen Sicherheit – insbesondere, sofern sie große Investitionen wie einen Um- oder Neubau tätigen.
Weitere Regelungen
  • Im Erbbaurechtsvertrag können viele wichtige Punkte festgelegt werden, wie der Um- oder Neubau von Gebäuden auf dem Grundstück. Er regelt auch, wann das Erbbaurecht erlischt und das Grundstück an die Eigentümer*innen zurückfällt – das nennt sich Heimfall. Wenn der*die Erbbaurechtsnehmer*in zu diesem Zeitpunkt bereits investiert hat, kann vereinbart werden, dass diese Investitionen zum Verkehrswert erstattet werden.
  • Auch die Möglichkeit, das Grundstück zu beleihen, kann geregelt oder ausgeschlossen werden. Änderungen am Vertrag müssen immer von beiden Parteien unterzeichnet und notariell beglaubigt werden.
Kosten
  • Die Errichtung und Veräußerung von Erbbaurechten unterliegen der Grunderwerbsteuer. Zusätzlich fallen Kosten für die anwaltliche Beratung zu Ausgestaltung und Aufsetzen des Vertrages an und für den*die Notar*in im Rahmen des Vertragsabschlusses.
  • Der Erbbauzins wird in der Regel auf Basis des Bodenwertes berechnet.
  • Eine Klausel im Vertrag regelt die regelmäßige Anpassung, oft an den Verbrauchspreisindex (VPI).
  • Wenn beide Parteien zustimmen, kann auch ein Verzicht auf die Erhebung des Erbbauzinses vereinbart werden (siehe unten).
Verzicht auf Erhebung des Erbbauzinses
  • Nach dem Initialkapital-Prinzip verzichten Erbbaurechtsgeber*innen auf den Erbbauzins, solange das Projekt gemeinnützig bleibt. Dadurch können alle Überschüsse aus der Vermietung direkt als Gemeinwohlrendite in den Betrieb von Gemeinwohlflächen oder Nachbarschaftsangeboten fließen.
  • Im Erbbaurechtsvertrag wird zwar ein Erbbauzins festgelegt, aber mit einer Klausel ausgesetzt: Solange die gemeinnützigen Ziele verfolgt werden und ein Quartiersbezug besteht, entfällt die Zahlung des Zinses. Damit leisten die Erbbaurechtsgeber*innen – neben der Bereitstellung ihres Grundstücks – einen finanziellen Beitrag zu mehr Gemeinwohl im Stadtteil.
  • Da ein Erbbaurechtsvertrag komplex ist, solltet ihr immer rechtlichen Rat einholen. Diese Plattform bietet keine Rechtsberatung.
EU-Vergaberecht
  • Kommunen müssen bei der Vergabe öffentlicher Flächen fair vorgehen und alle Bewerber*innen gleich behandeln – hier greift das Vergaberecht bzw. das Beihilfeverbot gemäß Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).
  • Wenn jedoch im Erbbaurechtsvertrag festgelegt ist, dass und warum das Projekt nach EU-Recht als Unternehmen mit „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ (DAWI) gilt, kann eine Ausnahme von diesen Wettbewerbsregeln gemacht werden. Das kann zum Beispiel bei einem hohen Quartiersbezug und in der Gemeinnützigkeit der Fall sein.
  • Diese Möglichkeit sollte in jedem Fall individuell geprüft und rechtlich abgesichert werden.

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Muster Erbbaurechts- und Kaufvertrag

  • Ladet einen Muster Erbbaurechts- und Kaufvertrag herunter und nutzt ihn für euer gemeinwohlorientiertes Projekt.
  • Für die Erstellung und Prüfung des Vertrags ist dringend anwaltliche Unterstützung und rechtliche Beratung erforderlich!
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2. Stadtteil kennenlernen

Menschen kleben Post-Its auf eine bemalte Glasscheibe
Bei der Kompasswerkstatt in Mönchengladbach Rheydt sammeln Bewohner*innen und Mitarbeiter*innen der Kommune ihre Eindrücke des Stadtteils (Foto: Magdalena Jooss)

Quartiersstudie erstellen

Für eine gemeinwohlorientierte Immobilienentwicklung ist es unverzichtbar, Stadtteil, Bewohner*innen und bestehende Angebote kennenzulernen. Eine Quartiersstudie belegt, welche Teile des Stadtteils welchen Charakter haben, wer und was wie erreichbar ist und welche Angebote es bereits gibt. Im Rahmen der Quartiersstudie können alle Erkenntnisse über den Stadtteil in Bezug zum Gebäude und Grundstück gesetzt werden, um die es geht. Bedarfe werden realistisch mit den Möglichkeiten des Ortes abgeglichen.

Folgende Punkte untersuchen wir im Rahmen einer Quartiersstudie:

  • Soziale Analyse: trägt Daten zur Bevölkerungsstruktur und Aussagen zu den Bedürfnissen der Menschen, die im Quartier leben, zusammen.
  • Sozialräumliche Analyse: zeigt bestehende kulturelle Angebote auf und beschreibt formelle und nicht formelle Bildungsangebote, Einrichtungen der migrantischen Selbstorganisation, Kinder-, Jugend- und Seniorenangebote im Stadtteil.
  • Wirtschaftliche Analyse: erhebt und analysiert lokale Ökonomien sowie lokale Kaufkraft, Miet- und Kaufpreise von Immobilien und gewerbliche Infrastrukturen.
  • Stadträumliche und infrastrukturelle Analyse: umfasst den baulichen Zustand der Gebäude im Stadtteil, die öffentlichen Einrichtungen, die Verkehrsanbindung des Ortes und bestehende Frei- und Erholungsräume.
  • Nutzungsanalyse: stellt bestehende Angebote und Nutzungen im Quartier dar und zeigt Potenziale für weitere Nutzungen und geschützte Räume (safer spaces beziehungsweise braver spaces) für die Nachbarschaft auf.

Methodisch setzen wir neben quantitativen Analysen und Gesprächen mit Akteur*innen auf Beteiligungsformate wie Workshops und Stadtteilwerkstätten, bei denen Menschen zusammenkommen. Dort beschreiben sie, was aus ihrer Sicht Stärken im Stadtteil sind und was fehlt oder stört. Außerdem haben wir gute Erfahrungen mit aufsuchenden Methoden der Beteiligung gemacht, um noch direkter mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Gemeinsam mit Anwohner*innen und lokalen Akteur*innen werden Lebenssituationen und Bedürfnisse vor Ort deutlich.

Aus diesen Bausteinen entsteht ein Bild des Stadtteils und seiner Potenziale. So können fundierte Entscheidungen getroffen werden, die eine nachhaltige Entwicklung ermöglichen und die Nachbarschaft aktiv einbeziehen. Bei der Erstellung einer Quartiersstudie kann ein erfahrenes Stadtentwicklungsbüro ein wertvoller Partner sein.

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Muster Ausschreibung für eine Quartiersstudie

  • Ladet eine Muster Ausschreibung für eine Quartiersstudie herunter und nutzt sie für euer gemeinwohlorientiertes Projekt. Diese exemplarische Ausschreibung gibt einen Überblick über die Anforderungen einer Quartiersstudie. Es ist hilfreich, auch die Beteiligungsformate eng abzustimmen und den Prozess flexibel und in engem Austausch zu gestalten.
  • Hier findet ihr außerdem Beispiele von Quartiersstudies für unsere Projekte in Mönchengladbach-Rheydt Quartiersstudie Rheydt (PDF) und in Köln-Worringen Quartiersanalyse Krebelshof (PDF)
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3. Ziele und Haltung entwickeln

Ziele und Haltung gemeinsam entwickeln

Ob als Nutzer*in, Mitarbeiter*in der Stadt, Mieter*in, Investor*in oder Grundstückseigentümer*in - wer eine Immobilie für mehr Gemeinwohl entwickeln und zur Verfügung stellen möchte, geht das Projekt mit bestimmten Zielen und einer Haltung an. Wir haben erlebt, dass es sehr wertvoll ist, als Team gemeinsame Ziele und eine Haltung zu entwickeln. Als Montag Stiftung Urbane Räume haben wir über mehr als zehn Jahre das Initialkapital-Prinzip für chancengerechte Stadtteilentwicklung im Tun weiterentwickelt. Wir stellen es euch als Inspiration vor.

Gemeinwohl bauen kann vielleicht ganz anders aussehen - nehmt es am besten selbst in die Hand!

Stadtteile und Nachbarschaften verändern sich, nicht alle aktuellen Ereignisse können vorrausgeahnt werden. Deshalb ist eine gemeinsame Weiterentwicklung von Zielen und Haltung wichtig. Es geht nicht darum, Checklisten abzuhaken, sondern Grundlagen immer wieder kritisch zu überprüfen. Was heißt Gemeinwohl für diesen Stadtteil, für die Menschen, die hier leben und für genau diese Immobilie? Und wie erreichen wir mit unseren Mitteln das Beste mit unserem Projekt? Manchmal hilft es bedeutend, zu schauen, was andere bereits tun.

Neben offenen Diskussionen, bieten Vertragsgrundlagen und rechtliche Rahmenbedingungen wie die Gemeinnützigkeit zugleich eine klare Grenze und langfristige Stabilität.

Sonst noch praktisch