Haltung entwickeln
Ziele und Haltung gemeinsam entwickeln
Ob als Nutzer*in, Mitarbeiter*in der Stadt, Mieter*in, Investor*in oder Grundstückseigentümer*in - wer eine Immobilie für mehr Gemeinwohl entwickeln und zur Verfügung stellen möchte, geht das Projekt mit bestimmten Zielen und einer Haltung an. Wir haben erlebt, dass es sehr wertvoll ist, als Team gemeinsame Ziele und eine Haltung zu entwickeln. Als Montag Stiftung Urbane Räume haben wir über mehr als zehn Jahre das Initialkapital-Prinzip für chancengerechte Stadtteilentwicklung im Tun weiterentwickelt. Wir stellen es euch als Inspiration vor.
Gemeinwohl bauen kann vielleicht ganz anders aussehen - nehmt es am besten selbst in die Hand!
Stadtteile und Nachbarschaften verändern sich, nicht alle aktuellen Ereignisse können vorrausgeahnt werden. Deshalb ist eine gemeinsame Weiterentwicklung von Zielen und Haltung wichtig. Es geht nicht darum, Checklisten abzuhaken, sondern Grundlagen immer wieder kritisch zu überprüfen. Was heißt Gemeinwohl für diesen Stadtteil, für die Menschen, die hier leben und für genau diese Immobilie? Und wie erreichen wir mit unseren Mitteln das Beste mit unserem Projekt? Manchmal hilft es bedeutend, zu schauen, was andere bereits tun.
Neben offenen Diskussionen, bieten Vertragsgrundlagen und rechtliche Rahmenbedingungen wie die Gemeinnützigkeit zugleich eine klare Grenze und langfristige Stabilität.
    
        Gemeinwohl bauen nach dem Initialkapital-Prinzip
Seit 2014 hat die Montag Stiftung Urbane Räume erfolgreich in bisher sechs Stadtteilen von Krefeld, Bochum, Wuppertal, Remscheid und Halle an der Saale Projekte umgesetzt beziehungsweise initiiert. Zum größten Teil handelt es sich bei den Stiftungsprojekten um Sanierungen von Bestandsimmobilien im Leerstand, die aufgrund ihres Standorts oder ihrer Geschichte eine Schlüsselrolle im Stadtteil spielen.
Die Projekte werden nicht durch dauerhafte Förderungen und Zuschusskonzepte mit Leben gefüllt. Vielmehr setzt die Montag Stiftung Urbane Räume am Anfang Initialkapital ein, um langfristig selbsttragende Strukturen zu schaffen, die die Chancengerechtigkeit und Teilhabemöglichkeiten für alle im Stadtteil verbessern.
Investitionen fließen über einen Zeitraum von vier bis sechs Jahren in die baulichen Maßnahmen und stellen eine Anschubinvestition für die ideelle Entwicklung dar. Diese Investition ermöglicht einem Team, vor Ort zu sein und partizipative Entwicklung kontinuierlich zu gestalten und zu begleiten. Erbbaurechts- und Kaufverträge sichern die langfristige Tragfähigkeit der Projekte: mit der Besonderheit, dass die Erbbaurechtsgeber*innen – in den bisherigen Projekten sind dies Kommunen, Wohnungsbaugesellschaften und private Eigentümer*innen – auf die Erhebung des Erbbauzinses verzichten.
Durch die Vermietung der sanierten und umgebauten Gebäude erwirtschaften die Projekte Geld. Mit dem Geld werden die Immobilien verwaltet, Kredite getilgt und Zinsen gezahlt. Überschüsse fließen ausschließlich in gemeinnützige Aktivitäten und Maßnahmen vor Ort: Damit ermöglicht das Initialkapital eine dauerhafte Gemeinwohlrendite. Neben der Rendite in Form von Geld stellen die Projekte einen Teil der Nutzflächen zum Selbstkostenpreis oder kostenfrei der Nachbarschaft zur Aneignung und Nutzung zur Verfügung – Räume der Begegnung, der Teilhabe und demokratischer Aushandlungsprozesse.
Das Initialkapital-Prinzip
Die Ziele des Initialkapital-Prinzips
Wir nehmen uns für den Austausch über unsere Ziele und Haltung mit allen Projektteams einmal im Jahr bei einer zweitägigen Klausurtagung Zeit. Im Team tauschen wir uns in verschiedenen Konstellationen und berufsübergreifend aus und entwickeln ein gemeinsames Verständnis von Gemeinwohl. Ebenso kann man sich persönlich über die Sorgen des Projektalltags austauschen, Erfahrungen weitergeben und Erfolge feiern. Ihr könnt natürlich einen ganz anderen Weg wählen. Allein, dass ihr eine gemeinsame Haltung entwickelt, ist für ein gemeinwohlorientiertes Immobilienprojekt wichtig.
Im Rahmen einer solchen Klausurtagung sind fünf übergeordnete Ziele für Projekte nach dem Initialkapital-Prinzip entstanden. Sie sind als Leitplanken zu verstehen und begleiten die Projekte von der ersten Idee an. Bei der Erstellung einer Gemeinwohlstrategie zu Beginn eines Projektes dienen die Ziele als Wegweiser. Dann spielen sehr viel lokalere Gegebenheiten eine Rolle und aus beidem werden spezifische Projektziele erarbeitet. Übergeordnete und projektspezifische Ziele überprüfen wir regelmäßig.
Mehr Teilhabe für alle
Alle im Stadtteil haben bessere Chancen auf gesellschaftliche Teilhabe, Bildung und Lebenszufriedenheit.
Solidarische Gemeinschaft
Rund um das Projekt existiert eine solidarische, inklusive Gemeinschaft.
Verantwortung übernehmen
In der Gemeinschaft gibt es Personen, die Verantwortung übernehmen, um das Projekt stetig gemeinnützig weiterzuentwickeln und langfristig zu tragen.
Identitätsstiftender Ort
Die Projektimmobilie ist durch eine hohe ästhetische und funktionale Qualität ein belebter und identitätsstiftender Ort im Stadtteil.
Selbsttragendes Projekt
Das Projekt trägt sich selbst und stellt Geld und Raum für bürgerschaftliches Engagement zur Verfügung.
    
        Netzwerken
Gemeinwohlorientierte Immobilienprojekte entstehen nicht im Alleingang – sie leben von Partner*innen und engagierten Wegbereiter*innen. Neben direkten Kontakten zu Netzwerken und einzelnen Projekten lohnt sich häufig ein Blick auf bestehende Angebote im Internet: Es gibt jede Menge Wissen, Inspiration und kreative Ansätze rund um inklusive Raumnutzung.
Inspiration durch Besuch vor Ort
Der beste Eindruck davon, wie ein Projekt wirklich funktioniert, entsteht oft bei einem Besuch vor Ort. Ein persönlicher Austausch bringt frische Ideen, Motivation und zeigt, was alles möglich ist.
Haltung der Montag Stiftung Urbane Räume
Unsere Ziele gründen sich auf der Charta der Montag Stiftungen, dem Zweck der Gemeinnützigkeit und unserer Haltung. Die Haltung beschreibt unsere Herangehensweise an gemeinwohlorientierte Immobilienprojekte. Unsere Haltung ist – genau wie unsere Projekte – in einem gemeinsamen Prozess entstanden und steht für unsere Herangehensweise an gemeinwohlorientierte Immobilienprojekte. Sie prägt die Prozesse von Beginn an, begleitet alle Projekte über die gesamte Laufzeit und entwickelt sich dynamisch weiter.
Wir haben sie zur Inspiration aufgeschrieben - falls ihr andere Punkte mit dem Thema Haltung verbindet, schreibt uns gern!
Gemeinsam
- Partizipative Entwicklungen: Unsere Projekte sind möglichst partizipativ und prozessorientiert.
 - Beteiligung von Anfang an: Mitmachen beschränkt sich nicht auf bestimmte Phasen. Schon in der Planung stehen Alltagstauglichkeit und Nutzbarkeit im Mittelpunkt.
 - Mehr Perspektiven, bessere Projekte: Jede Meinung zählt. Mit Akteur*innen und Nachbar*innen werden alle Bausteine gemeinsam gestaltet, geplant und umgesetzt.
 - Jede*r ist Expert*in: Die Lebensrealitäten und Erfahrungen der Menschen vor Ort stehen im Mittelpunkt. Egal welche Lebensgeschichte und Herkunft, welcher Beruf, welches Alter und Geschlecht oder welche anderen Merkmale – alle werden mit Wertschätzung einbezogen.
 - Gemeinsam statt allein: Die Projekte entstehen nicht bloß für die Menschen im Stadtteil, sondern mit ihnen. Von der ersten Idee bis zur Umsetzung können alle dabei sein.
 - Auf Bestehendem aufbauen: Was sind die vorhandenen Angebote und Bedürfnisse, wer sind die Akteur*innen im Stadtteil? Wir schätzen, stärken und ergänzen Bestehendes. So gehen wir ressourcenschonend mit dem Stadtteil und den Kräften seiner Bewohner*innen um.
 
Langfristig
- Langfristige Wirkung: Gemeinwohlorientierte Immobilienprojekte wirken über Jahrzehnte hinweg. Sie gestalten den Stadtteil für kommende Generationen mit.
 - Rendite für das Gemeinwohl: Überschüsse aus der Bewirtschaftung der Immobilien fließen als Gemeinwohlrendite vollständig in Aktivitäten im Stadtteil. Sie ermöglichen Projekte, die den Stadtteil bereichern und allen zugutekommen.
 - Raum für persönliche Wirksamkeit: Die Räume, die entstehen und erneuert werden, bieten Menschen die Möglichkeit, selbst wirksam zu werden und Ideen gemeinsam in die Tat umzusetzen. Wir schaffen Räume, die der Allgemeinheit dienen.
 
Ressourcen
- Demokratische Grundwerte: Wir bekennen uns zum Grundgesetz und sind der Demokratie verpflichtet.
 - Eigentum verpflichtet: Im Grundgesetz Artikel 14 Absatz 2 steht „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Für uns bedeutet das: Eigentum an Immobilien verpflichtet uns, diese nutzbar zu machen und zu halten. Das heißt: sie sorgsam instand zu halten. Außerdem schaffen wir Räume, die der Allgemeinheit dienen.
 - Privilegien: Als Montag Stiftung Urbane Räume sind wir uns bewusst, dass wir eine gewisse Machtposition innehaben und auf Ressourcen und Netzwerke zugreifen können, die nicht allen gleichermaßen offenstehen. Wir wollen unsere Privilegien bestmöglich nutzen, um Stadtteile chancengerechter zu gestalten.
 - Verantwortung übernehmen: Wir sind uns bewusst, dass wir die Prozesse mitgestalten und wegweisende Entscheidungen treffen.
 - Ressourcenschonend bauen: Wir bauen besonders gerne bestehende Gebäude um. Dabei nutzen wir möglichst Materialien weiter, knüpfen an die Geschichte des Ortes an und erhalten goldene Energie.
 - Jeder Quadratmeter zählt: Egal ob eine einst vernachlässigte Hundewiese in eine einladende Sitzgelegenheit verwandelt wird oder dringend benötigter Lagerraum entsteht – wir versuchen jeden Raum und seinen Beitrag für mehr Gemeinwohl in der Gestaltung zu bedenken.
 
Aufbauen
- Wertschätzende Architektur: Die Räume sind so gestaltet, dass sich möglichst alle willkommen fühlen. Sie sind funktional, offen für Ideen, einladend, nahbar – und nicht exklusiv. Barrieren werden ernst genommen und so niedrig wie möglich gehalten.
 - Lernendes Prinzip: Flexibilität gehört dazu. Die Projekte entwickeln sich ständig weiter, passen sich neuen Herausforderungen an. Dabei verlieren wir die Gemeinwohlorientierung und die Ziele nie aus den Augen.
 - Konflikten vorbeugen: Wo sich Konflikte anbahnen, suchen wir frühzeitig die Kommunikation, um gemeinsam zu der besten Lösung zu kommen.
 - Integriertes Denken: Wir betrachten Themen multiperspektivisch und nicht allein aus einem Blickwinkel. Wir halten die Augen und Ohren offen für Anliegen, die uns bisher unbekannt sind.
 
Gemeinwohl bauen – Glossar
Was ist Gemeinwohl eigentlich genau? Wir verweisen euch an dieser Stelle auf das Glossar zur gemeinwohlorientierten Stadtentwicklung der Nationalen Stadtentwicklungspolitik (NSP) (Link siehe unten).
Wir nutzen einige Eigennamen, die - genauso wie Gemeinwohl und Bauen zu verbinden - noch nicht geläufig sind. Außerdem einige Fachbegriffe aus den Bereichen Architektur, Bau, Stadtentwicklung, Immobilienwirtschaft und Steuerrecht. Eine Erläuterung ist jeweils dort zu finden, wo die Begriffe auf der Plattform Gemeinwohl bauen praktisch auftauchen:
- Altlasten
 - Anhandgabe
 - Baulasten
 - Betriebskonzept
 - Community Management
 - Dienstbarkeiten
 - Erbbaurecht
 - Gemeinnützigkeit (und was dabei zur Raumüberlassung zu beachten ist)
 - Gemeinwohl-Management
 - Gemeinwohlfläche
 - Gemeinwohlinvestor*in
 - Gemeinwohlorientierte Konzeptverfahren
 - Gemeinwohlrendite
 - Gemeinwohlstrategie
 - Graue Energie
 - Honorarordnung für Architekt*innen und Ingenieur*innen (HOAI)
 - Initialkapital
 - Initialkapital-Prinzip
 - Leistungsphase
 - Letter of Intent (LOI)
 - Mehrjahresplanung
 - Nutzungsgestattung
 - Partizipation
 - Pioniernutzung
 - Re-Use von Baumaterialien und Baustoffen
 - Trägerschaft
 - Umsatzsteuer-Vorabzug
 - Vermögensverwaltung
 - Wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb
 - Wirtschaftlichkeitsberechnung
 
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